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Kjell entdeckte Sofi und Theresa vor der Rezeption und Per ein wenig Abseits an seinem Aluminiumkoffer, den er sich zwischen die Beine geklemmt hatte. Er bahnte sich seinen Weg durch die Menge gutgekleideter Menschen. Die ausländischen Hotelgäste blickten verwundert umher, weil sie die Vorliebe der Stockholmer noch nicht kannten, sich abends in Hotelbars zu amüsieren.
„Ein Kofferträger wollte Per seinen Koffer abnehmen und aufs Zimmer tragen“, sagte Theresa zur Begrüßung und lachte. „Seitdem lässt er ihn nicht mehr los.“
Per blickte starr auf die Gruppe. Menschenmassen mochte er überhaupt nicht.
„Sind wir soweit?“, fragte Kjell. „Wie ist der Plan?“
„Die Frau hat sich bisher nicht gemeldet“, sagte Sofi. „Leider hat sie bei der Anmeldung ihre Telefonnummer nicht angegeben. Unser Plan ist, dass Per sich im Zimmer die Fingerabdrücke holt. Wir warten nur noch auf die Antwort vom Gericht.“
„Wieso das denn? Du hast doch nicht etwa einen Beschluss beantragt?“
Sofi nickte und machte Knopfaugen.
„Welche Zimmernummer hat sie?“
„6068.“
Kjell blickte zu Per. „Warum hast du nichts gesagt?“
Per hielt immer noch seine Koffer fest. „Interessiert mich doch nicht!“
„Wir brauchen keinen Beschluss. Die Frau ist Ausländerin. Für sie gilt das Ausländergesetz.“
Während der Fahrt im Aufzug schwiegen alle. Oben mussten sie eine lange Strecke über den Teppich zurücklegen, der alle Geräusche verschluckte. Das Zimmer lag ganz am Ende des Ganges.
„Wenn du dir beim nächsten Mal unsicher bist, hältst du dich an das Proportionalitätsprinzip“ flüsterte Kjell seiner Kollegin ins Ohr.
„Erklär lieber Theresa mal das Proportionalitätsprinzip“, rutschte es Sofi heraus.
Sie erreichten das Zimmer. Per öffnete die Tür, kniete sich auf dem Boden und suchte mit dem Scanner am Koffergriff nach Abdrücken.
„Soll ich ihr eine Nachricht hinlegen, dass sie sich bei uns melden soll?“, fragte Theresa, die ungehemmt im Zimmer umherstreifte.
Inzwischen kam sich Kjell wie ein Verwaltungsbürokrat vor. „Das geht nicht. Du hinterlässt die Nachricht an der Rezeption und lässt ihre Zimmerkarte sperren.“
Theresa sah auf. „Warum?“
„Wenn du den Zettel hier hinlegst, hast du offiziell eine Vorladung überbracht. Dann hättest du doch einen Gerichtsbeschluss gebraucht, um in diesem Raum zu stehen.“
„Man kann den Zettel ja auch draußen an die Tür stecken“, beschwerte sich Theresa.
Per stemmte sich auf und ging ins Badezimmer. Kjell wies ihm an, auch DNA-Proben zu nehmen.
„Also hätten wir doch einen Beschluss gebraucht“, sagte Theresa.
„Ausländergesetz, Paragraph 15. Die Polizei darf DNA-Proben von Ausländern nehmen, um ihre familiäre Herkunft zu klären.“
Theresa grinste. „Ganz schön raffiniert, das hier anzuwenden.“
„Geh lieber runter zur Rezeption und schreib die Nachricht“, erwiderte Kjell. „Wenn sie sich bis morgen Mittag nicht meldet, suchen wir sie.“
Theresa nickte, verließ ohne Widerworte den Raum und verkündete, dass sie dann unten wartete.
Kjell gesellte sich zu Sofi. „Sie ist beim Einstecken genauso großzügig wie beim Austeilen. Das musst du zugeben.“
Sofi gab überhaupt nichts zu, sondern untersuchte lieber den Schrank. Er war voll mit Kleidungsstücken, die in Plastikfolie gehüllt waren. Sofi nahm einen der Bügel heraus, krempelte die Folie hoch und suchte den Stoff nach einem Etikett ab. Als sie nichts fand, wurden ihre Bewegungen schneller. Sie nahm weitere Bügel aus dem Schrank und befreite sie aus der Folie.
„Das passt, oder? Die Sachen sehen alle vornehm aus und haben keine Etiketten.“
Kjell wusste keine Antwort, weil er noch keine Erklärung gefunden hatte, warum die Frau so viel Kleidung mit sich führte und sie in Folie verpackte. „Handelt sie mit der Kleidung?“
„Als Vertreterin. Dann wären das alles Modellstücke.“ Sofi sank vor dem Koffer auf die Knie und versuchte, einen Blick hineinzuwerfen. Als sich das Schloss nicht öffnen ließ, schüttelte sie den Koffer ein wenig „Er ist gefüllt, aber es rumpelt nichts.“
Sofi versuchte es bei den beiden anderen Koffern, kam jedoch auch dort nicht weiter.
Per trat aus dem Badezimmer und knipste das Licht aus. „Das Zimmermädchen hat ganze Arbeit geleistet. Ich finde keinen einzigen Abdruck, außer einem Fragmente auf dem Griff der Bürste.“
Sofi wuchtete den letzten Koffer zurück unter die Kommode.
Per packte seine Sachen zusammen. „Ich muss ins Labor, um die Spuren zu untersuchen.“
„Sag Theresa, sie kann für heute Feierabend machen und soll morgen um neun Uhr ins Büro kommen.“
Per nickte und vergaß beim Rausgehen zu grüßen.
Sofi zog alle Schubladen heraus und suchte nach persönlichen Dokumenten, die ein Foto der Frau enthielten.
„Ich habe mit Flodström vom Abendblatt gesprochen“, erzählte Kjell. „Rat mal, was ich ihm erzählt habe.“
Sofi hielt inne und überlegte einige Sekunden lang. „Alles? Du hast ihm alles gesagt, oder?“
Kjell grinste breit. „Das mit dem Krypto habe ich natürlich nicht verraten, aber er hat die Porträts und den genauen Tathergang.“
„Und das wollen sie alles bringen?“
„Sie machen in der Frühausgabe eine Doppelseite frei und die Hälfte des Titels.“
Sofi strich noch die Bettdecke glatt und nickte zufrieden. Kjell wusste auf Anhieb nicht, womit sie zufrieden war.